Fund auf dem Flohmarkt erweist sich als bibliografische Rarität

Seltene sorbische Buchausgabe aus dem 18. Jahrhundert gefunden und überreicht
„Bringing the baby home today“, so titelt der Berliner Roman Wilhelm einen Beitrag auf seinem Instagram-Profil, nachdem er ein sorbisches Buch aus dem 18. Jahrhundert der Sorbischen Zentralbibliothek geschenkt hat.
Im April erreichte eine Mail von Roman Wilhelm das Sorbische Institut, in der er über die kürzliche „Rettung“ eines Buches aus dem 18. Jahrhundert auf dem Trödelmarkt unweit von Kostrzyn (Küstrin) berichtete. Es handelt sich um eine Ausgabe des Neuen Testaments in deutscher und niedersorbischer Sprache, konkret die 6. Auflage der Übersetzung von Jan Bogumił Fabricius aus dem Jahr 1788. Den kulturellen Wert erkennend, wandte er sich an das Sorbische Institut, und wie wir später erfuhren, auch an die Staatsbibliothek in Berlin. Er suchte eine neue „Heimat” für das Buch. Nachdem das Team der Sorbischen Zentralbibliothek (SZB) feststellte, dass die 6. Auflage dieser Übersetzung bisher nirgends verzeichnet war, äußerten die Kolleginnen sofort Interesse an dem Buch. Bisher besaß die SZB lediglich die 1., 3., 4. und 5. Auflage des Neuen Testaments.
Im Jahr 1702 übernahm Fabricius die Pfarrstelle in Kahren bei Cottbus. Beim Papitzer Pfarrer Johann Korn erlernte er die sorbische Sprache. Schon 1706 gab er in Cottbus einen Kleinen Katechismus in niedersorbischer Sprache heraus. Danach überarbeitete er zusammen mit Christoph Ermel, Archidiakon der Cottbusser Klosterkirche, eine niedersorbische Übersetzung des Neuen Testaments. Dafür verwendete er eine handschriftliche Vorlage, die bisher nicht identifiziert ist. 1709 wird das Neue Testament in der für diesen Zweck erbauten Druckerei in Kahren gedruckt. Auf Bitte von Fabricius hatte Friedrich I. König in Preußen den Druck finanziell unterstützt. Die Preußische Hauptbibelgesellschaft ermöglichte das Erscheinen weiterer Auflagen des Neuen Testaments.
Die erste niedersorbische Gesamtausgabe des Alten und Neuen Testaments – bestehend aus dem Neuen Testament von Fabricius und dem Alten Testament in der Übersetzung des Kolkwitzer Pfarrers Jan Bjedrich Fryco aus dem Jahr 1796 – erschien 1824. Als gemeinsam gedruckte Ausgabe wurde die niedersorbische Bibel zum ersten und zugleich letzten Mal 1868 herausgegeben. Im Jahr 2018 veröffentlichte die Cottbusser Zweigstelle des Sorbischen Instituts in Kooperation mit dem Verein zur Förderung der wendischen Sprache in der Kirche e. V. die Internetedition des historischen Textes in drei Versionen im niedersorbischen Sprachportal dolnoserbski.de.
Weil sich Roman Wilhelm, Schenker des Buches, beruflich mit Schriften beschäftigt, hat er diese überhaupt als Rarität auf dem Markt erkannt. Wilhelm leitet das Labor für Typografie der Universität der Künste Berlin (UdK) und ist Spezialist für mehrsprachige Gestaltung insbesondere im chinesisch-lateinischen Kontext. Seine erste chinesische Schrift „Laowai Sung“ wurde 2013 für den Tokio TDC Award nominiert. Derzeit arbeitet er an einer Publikation zu zweisprachigen Drucken. In diesem Zusammenhang beschäftigt er sich unter anderem mit den Herausforderungen in frühneuzeitlichen Setzereien. Zweisprachige Drucke, auf denen sich sorbischer und deutscher Text auf ein und derselben Seite befinden, waren für den Prozess des Schriftsetzers vergleichsweise aufwendig. Die Fabricius-Ausgabe des Neuen Testaments will Wilhelm für seine Publikation behandeln.
Die Bücherspende wird durch die Sorbische Zentralbibliothek nun erst einmal fachgerecht restauriert.
Veranstaltungshinweis:
In der öffentlichen Vortragsreihe des Sorbischen Instituts referiert Roman Wilhelm am 27. August in Bautzen über Besonderheiten von zweisprachigen historischen Drucken. Die Uhrzeit, Veranstaltungsort und Vortragstitel werden in Kürze bekanntgegeben.
Die Sorbische Zentralbibliothek am Sorbischen Institut sammelt – im Sinne einer Nationalbibliothek – sämtliche Literatur in sorbischer Sprache, über die Sorben sowie über die Ober- und Niederlausitz. Die SZB ist zugleich Fachbibliothek des Sorbischen Instituts. Der Lesesaal ist während der Öffnungszeiten (Mo-Mi 9-16 Uhr, Do 9-18 Uhr) öffentlich zugänglich.
- weiterlesen: Artikel von Doris Teichmann über Bibelübersetzungen im sorabistischen Wissensportal SORABICON