Genderlinguistik des Sorbischen

Der Thematik „Gender“ wird gesamtgesellschaftlich große Aufmerksamkeit zuteil, wobei bestimmte genderpolitische Maßnahmen auch zu Polarisierungen führen. In der sorbischen Gesellschaft werden all diese Aktivitäten bislang kaum reflektiert, sieht man von einigen sozial- und geschichtswissenschaftlichen Studien zur Rolle der Frau und vereinzelten publizistischen Artikeln ab. Gleichwohl sind v. a. in der publizistischen Praxis Versuche zu beobachten, die sich im Deutschen abzeichnenden Trends gendergerechter Sprache im Sorbischen abzubilden. In dieser Situation soll das vorliegende Projekt eine systemlinguistische Bestandsaufnahme sprachlicher Mittel für den Ausdruck von Geschlechterunterschieden in den beiden sorbischen Schriftsprachen ermöglichen und eine erste sprachwissenschaftliche Grundlage für die interdisziplinäre Erforschung von Geschlechterrollen in der sorbischen Gesellschaft anbieten.
Angestrebt ist zunächst eine kontrastive Übersichtsdarstellung flexivischer, derivativischer, syntaktischer und lexikalischer Ausdrucksmittel für Geschlechterunterschiede im Nieder- und Obersorbischen. Es schließt sich ein allgemeiner Überblick über den Gebrauch geschlechterunterscheidender und neutralisierender sprachlicher Ausdrucksmittel, über Strategien für die Herstellung von Symmetrie der Geschlechternennungen und für die Sichtbarmachung von Frauen in der Rede an. Dies ist zu verbinden mit Angaben über die stilistische Wertung dieser Strategien, die auf Beobachtungen des schriftlichen Sprachgebrauchs und auf Sprecherbefragungen beruhen sollen, aber noch ohne eine umfängliche Korpusanalyse auskommen müssen. Die Situation im Sorbischen wird anhand von praktischen Ratgebern zum gendergerechten Sprachgebrauch im Deutschen modelliert und überprüft (z. B. Diewald/Steinhauer: Handbuch geschlechtergerechte Sprache. Berlin, 2020). Außerdem sollen die systemlinguistischen und pragmatischen Merkmale des sprachlichen Ausdrucks von Geschlechtsunterschieden im Sorbischen in den Kontext anderer slawischer Sprachen gestellt werden, zu denen einschlägige Arbeiten bereits vorliegen.


Projektbeteiligte: Thomas Menzel, Anja Pohontsch