Sorbenpolitik in der DDR. Strukturen, Akteure und Interessen 1968–1989 (Drittmittelprojekt)

Das Projekt fokussiert mit dem Zeitraum von 1968 bis 1989 die zwei letzten Jahrzehnte der SED-Herrschaft und zielt auf eine Analyse der Sorbenpolitik im Spannungsfeld zentraler politischer Direktiven und ihrer lokalen Realisierung. Im Zentrum steht die Frage, wie sich im deutsch-sorbischen Gebiet Menschen aus den unterschiedlichen Kulturen begegneten, die sich überdies in einem fortlaufenden Umbruch befanden. Kulturelle Veränderungen sollen ebenso analysiert werden wie die staatlichen Organe und Institutionen sowie die maßgeblichen Akteure der Nationalitätenpolitik in der DDR und ihre Interessen. Mit dem forcierten Ausbau des Bezirks Cottbus zum Kohle- und Energiezentrum der DDR setzte sich die Umgestaltung der Lausitz weiter fort. Dabei blieben Fragen der Integration von kultureller Differenz in die Gestaltung des Zusammenlebens im Zweisprachengebiet nachgeordnet. Fortschreitende Urbanisierung, fehlende Investitionen in die Dörfer, die Versiegelung weiter Landschaften und Zerstörung von Ökosystemen flankierten die Industrialisierung. Als Folge der Abbaggerung von Dörfern und aufgrund individueller Diskriminierungserfahrungen verschwanden unaufhaltsam sorbische Elemente aus dem Alltag der Menschen.

Das Forschungsinteresse richtet sich auf die Durchsetzung einer Politik, die offiziell die „Wahrung der Rechte der sorbischen Bevölkerung“ propagierte, auf ihre Konzeption und auf die Praxis. Wie vollzog sich nach 1968 die weitere Einbindung der sorbisch sprechenden Bevölkerung in den sozialistischen Aufbau? Im Projekt wird nach Gemeinsamkeiten und Konflikten zwischen Sorben und Deutschen generell gefragt, aber auch nach solchen zwischen Funktionären, die verschiedenen Institutionen angehörten.

Unter allen Antworten auf die Frage nach der Sollbruchlinie zwischen Sorben und Deutschen ist an erster Stelle die marxistische Ideologie zu nennen. SED-Funktionäre mussten Belange von sorbischer Kultur und Sprache nachrangig behandeln, obwohl sie bemerkten, wie die Kirchen das Gewicht auf die Wertschätzung sorbischer Traditionen verlagerten. Ihre Weltanschauung rückte politisch-ökonomische Ziele in den Mittelpunkt. Wie gingen sie gegen die von beiden Konfessionen beanspruchte Mitwirkung bei der Verteidigung sorbischer Identität vor? Ergaben sich aus regional unterschiedlich wirksamen Faktoren der sozialen, ökonomischen und ökologischen Rahmenbedingungen die charakteristischen Abweichungen in den Transformationsprozessen der überwiegend evangelischen Sorben der Niederlausitz und der sorbischen Katholiken der Oberlausitz? Diese und andere Probleme sollen in der dreijährigen Laufzeit des Projekts untersucht werden.

 


Projektbeteiligte: Thomas Widera

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