Small Worlds of Football-Workshop: Fußball aus kulturwissenschaftlicher Perspektive
Der Workshop im ‚Wörthersee-Stadion‘ in Klagenfurt (Kärnten, Österreich) am 4. September mit dem Titel Defining, Interpreting and Comparing Small Worlds of Football: Identities, Events, Styles wurde im Rahmen des Forschungsprojektes „Sorbischer Fußball“: Aushandlung kultureller Diversität in sozialen Freizeitwelten im lokalen, nationalen und europäischen Kontext durchgeführt. Ziel der Tagung war es, die Thematik in einem internationalen Rahmen einer bereits seit längerem bestehenden Forschungsgruppe zu diskutieren. Das internationale Forschungsnetzwerk ‚Small Worlds: Football at the Grassroots in a Comparative European and Global Perspective‘ wurde im Jahr 2015 ins Leben gerufen, um neue, innovative Perspektiven zum Fußball aus verschiedenen disziplinären Blickwinkeln der Sozialwissenschaften einen Raum zu geben. Bislang fanden Workshops der Gruppe in Köln, Belfast, Bayreuth und Freiburg statt. Das Treffen in Klagenfurt war also die insgesamt 5. Ausgabe.
Der inhaltliche Schwerpunkt des Treffens lag auf den Konzepten ‚Event, Identität, und Stil‘. Im Rahmen des genannten Forschungsprojektes ist der Ausgangspunkt die Europeada, ein Fußballturnier bzw. -event, das als Europameisterschaft der autochthonen (nationalen) Minderheiten firmiert und die europäischen Minderheiten sowie ihre diversen sozialen und politischen Herausforderungen sichtbar machen soll. Die letzte Europeada fand im Jahr 2024 in Flensburg und im deutsch-dänischen Grenzland in Nord- und Südschleswig statt. Das Turnier ist entsprechend ein ideales Fallbeispiel, um die hier im Zentrum stehenden Konzepte und deren konkrete Ausprägungen im Rahmen eines ‚hybriden Events‘ zu diskutieren, das zwei kulturelle Bereiche verbindet: Sport und Minderheitenpolitik. Die sorbische Minderheit und deren Stilisierung im Rahmen der Europeada diente dann auch als Auftakt zur Diskussion des sorbischen Fußballs (Kristian Naglo, Sorbisches Institut Bautzen). Weiter ging es in diesem Bereich um die Oberlausitz als ‚Verflechtungslandschaft‘, also als Region, in der das Eigene und das Fremde räumlich essentiell zusammengedacht wird, und zwar am Beispiel des FCO Neugersdorf (Robert Lorenz, Sorbisches Institut Bautzen). Zwei Wissenschaftler vom Deutschen Zentrum für Astrophysik in Görlitz (Stefan Ohm und Lars Haupt, DZA) zeigten innovative Ansätze auf, Forschung, Bildung und Sport auf neue Weisen zu verbinden, um einen Strukturwandel in der Region voranzutreiben (mehr dazu im kurzen Fernsehbeitrag, ZDF MoMa). Ihr spektakuläres Projekt mündete z.B. bereits in der Herstellung von Fußbällen, auf die von der NASA bereitgestellte Texturen von Himmelskörpern projiziert werden.
In der folgenden Sitzung ging es um die Verbindung des lokalen und globalen im Fußball in verschiedenen Facetten und Ausprägungen, und damit vor allem um Vereins- und Verbandsidentitäten, mit Beispielen aus England (Dil Porter, Leicester, GB), Südafrika (Kiran Odhav, Bloemfontein, Südafrika) und Hamburg (Christian Brandt, Bayreuth). Die letzte Sitzung wiederum fokussierte Identitätsbildungen und Verhalten in Fan-Szenen: Wie wird ‚Jüdisch-Sein‘ und Antisemitismus in verschiedenen europäischen Vereinen hergestellt bzw. verhandelt? (Pavel Brunssen, Heidelberg) Inwiefern spiegeln Fan-Gesänge im deutsch-französischen Vergleich Fan-Identitäten wider? (Florian Koch, Dijon, Frankreich) Welche Widersprüche in Supporter-Kontexten lassen sich anhand österreichischer und slowenischer Fans in Kärnten beobachten? (Thomas Neumann, Klagenfurt, Österreisch) Der letzte Beitrag beschäftigte sich mit den Wurzeln ostdeutscher Fan-Identitäten und der Entwicklung bestimmter Verhaltens- und Einstellungsmuster in der ‚Nachwendezeit‘. (Alexander Mennicke, Leipzig)
Der Workshop konnte viele Befunde und wichtige Impulse bzgl. der Frage nach der Aktivierung und Reproduktion kollektiver Symbole und deren medialer Verbreitung im Wettbewerbskontext liefern, sowie zu Prozessen der Aushandlung von Kultur, Sprache und Stilen und damit der Reproduktion kollektiver Identitäten. Die Diskussion bestätigte die im Forschungsprojekt betonte Bedeutung eines tiefergehenden Verständnisses verschiedener Sportwelten und ihrer Events/Eventisierung, um letztlich die Analyse von Identitäten, Kultur und Sprache in diesem Rahmen überhaupt zu ermöglichen. Eine tiefergehende Analyse wird demnächst im Lětopis – Zeitschrift für Sorabistik und vergleichende Minderheitenforschung veröffentlicht.
Ein Bericht von Kristian Náglo.
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– Europeada – Fußball-Europameisterschaft der autochthonen nationalen Minderheiten in Europa