Sorabistischer akademischer Nachwuchs zusammengekommen
Am 2. und 3. Mai 2025 war das Sorbische Institut (SI) wieder Gastgeber des Netzwerktreffens des sorabistischen akademischen Nachwuchses in Bautzen. Bereits zum fünften Mal haben sich junge Sorabisten, die sich thematisch mit den Sorben und dem Sorbischen/Wendischen beschäftigen, getroffen und sich gegenseitig ihre Forschungsvorhaben und Projekte vorgestellt und diskutiert. Neben dem interdisziplinären Austausch dient das zweijährliche Treffen der Knüpfung neuer Kontakte und der Netzwerkbildung. Insgesamt 13 Vortragende aus Deutschland, Polen und sogar Chile stellten am Freitag und Sonnabend ihre Master-, Doktor- oder Studienarbeiten vor. Außerdem lernten die Teilnehmenden die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler das SI kennen und tauschten sich mit ihnen über ihre wissenschaftliche Entwicklung aus.
Geplant haben das Treffen dieses Mal vier (von insgesamt sieben) promovierenden Nachwuchswissenschaftlern am SI. Außer ihnen nahmen Studierende und Doktoranden von der TU Dresden, dem Institut für neue Industriekultur Cottbus, der BTU Cottbus-Senftenberg, der Polytechnischen Universität Poznań und der Universität Leipzig teil.
Die Historikerin Dr. Lubina Mahling vom Sorbischen Instituts begrüßte die Gäste und gab in einer kurzen Einführung Einblicke in die Geschichte und Tätigkeit des Sorbischen Instituts. Es folgte eine Kennenlernrunde im Marianne-Britze-Garten hinterm Institutsgebäude.
Daran schloss sich die erste Vortragsreihe an, die sich mit sprachlichen und regionalen Besonderheiten der Lausitz beschäftigte. So erläuterte beispielsweise die Raumplanerin Antonia Sipeer die Verbindungen zwischen der ehemaligen Spreewaldbahn und dem Sorbischen/Wendischen. Dafür hat sie historische Bilder analysiert, auf denen mit sorbischen Motiven für die Bahn geworben wurde.
Das zweite Panel widmete sich der sorbischen Sprache und der Aneignung dieser. Die Doktorandin und wissenschaftliche ZARI-Mitarbeiterin, Alena Paulik, hat es eröffnet. Sie referierte über das Obersorbische in virtuellen Gemeinschaften und gewährte Einblicke in die soziolinguistische Forschung zu digitalen Sprachräumen der Neusprecher. Sie unterstrich die Bedeutung von Sprachpartnern für die Neusprecher und die Vorteile der geografischen Unabhängigkeit dank der digitalen Kommunikation. Zudem diskutierte sie den Begriff des Sprachraums als einer Umgebung – physisch oder digital –, in der Sprache aktiv verwendet und revitalisiert wird.
Im Anschluss referierte die Doktorandin Denise Hornig, Mitarbeiterin am Zentrum für Lehrerbildung, Schul- und Berufsbildungsforschung an der TU Dresden, über Mehrsprachigkeit im schulischen Kontext und den damit verbundenen Diskriminierungserfahrungen. Ausgangspunkt ihrer Forschung war ihre frühere Tätigkeit als Lehrerin an Gymnasien mit einem hohen Anteil an Schülern mit Migrationshintergrund.
Sophie Rädel, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Sorbischen Institut in Cottbus und Doktorandin an der Universität Wien, beschäftigt sich in ihrem Forschungsprojekt mit dem Erwerb des Niedersorbischen – einer Sprache, die sie selbst erst mit Beginn ihrer Tätigkeit am SI zu lernen begann. In ihrer Dissertation untersucht sie Neusprecherinnen und Neusprecher aus dem Projekt ZORJA und deren unterschiedliche Motivationen zum Spracherwerb u.a.
Am Freitag beendete die Vortragsrunde Sofija Brězanec, Lehramtsstudentin für Gemeinschaftskunde und Sorabistik an der Universität Leipzig. Sie präsentierte die Ergebnisse ihrer Seminararbeit, in der sie Ursachen, Erwartungen, Ziele, Herausforderungen und Wünsche von Lernenden der sorbischen Sprache analysierte. Sie resümierte, dass künftig stärker in autodidaktische Lernmaterialien investiert werden müsse.
Danach besichtigten die Nachwuchssorabisten im Sorbischen Museum die Wanderausstellung „Was heißt hier Minderheit?“ über nationale Minderheiten in Deutschland. Der Tag klang in geselliger Runde beim gemeinsamen Abendessen im „Mönchshof“ aus.
Der Samstagmorgen begann mit einem Vortrag von Lydia Mattick, Doktorandin am Sorbischen Institut in Bautzen. Sie stellte das DFG-Forschungsprojekt zu Herkunftssprachen (Heritage languages) vor, in dem das Projektteam soziolinguistische Besonderheiten und aktuelle strukturelle Veränderungen im Sprachgebrauch der obersorbischen und polnischen Minderheit in Deutschland untersucht.
Anschließend berichtete Bartłomiej Szawulak, Doktorand an der Universität in Poznań, über ein technisches Dokumentationsprogramm zur Erfassung und zum Vergleich von Minderheitensprachen und Dialekten. Jan Bogusz, ebenfalls Doktorand am Sorbischen Institut, stellte seine Forschung zur sorbischen Kinder- und Jugendliteratur vor.
Der zweite Teil des Tages war soziokulturellen Themen gewidmet: Jordan Oelke thematisierte die Auswirkungen der Afrikanischen Schweinepest auf das sorbische Siedlungsgebiet. Marleen Schindler untersucht für ihr Dissertationsvorhaben die Funktion sorbischer Ostereier innerhalb und außerhalb des sorbischen Sprachraums. Und Ana Maria Bergholz befasst sich mit Transformationsprozessen wie dem Braunkohleabbau und deren Einfluss auf Kulturlandschaften und das kulturelle Erbe.
In der abschließenden Reflexion wurde deutlich, dass das diesjährige Treffen vergleichsweise wenig Beiträge aus den klassischen Bereichen der Volkskunde, Literatur- und Sprachwissenschaft bot. Stattdessen standen sozio-kulturwissenschaftliche Inhalte und Methoden des Spracherwerbs – insbesondere für Minderheitensprachen – im Vordergrund.
Das Echo auf die Veranstaltung war überaus positiv. Die Teilnehmenden äußerten den Wunsch nach weiterem Austausch und engerer Vernetzung. „Unser Ziel ist es, ein dauerhaftes sorabistisches Forschungskolloquium zu etablieren, das junge Forschende bei ihrer Arbeit unterstützt. Gemeinsam haben wir bereits mögliche Termine für ein nächstes, kleineres Treffen ins Auge gefasst“, fasst Jan Bogusz im Namen des Organisationsteams das Wochenende zusammen.
Ein Bericht von Lydia Mattick.
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