Cottbus/Chóśebuz - 11.07.2023

Sorbisch/Wendisch – gut fürs Marketing?

Geschäfte mit sorbisch/wendischen Aufschriften gehören zur zweisprachigen Niederlausitz. Zwei Mitarbeiter des Sorbischen Instituts sammeln Belege solcher Aufschriften, um sie zu analysieren.

Wer entlang der Hauptstraße durch Wüstenhain/Huštań fährt, dem fällt vielleicht das große Schild mit dem wendischen Namen Kśišowka auf (ungefähre Aussprache: kchischouka). Hier befindet sich ein Eiscafé, das nach einem nahe gelegenen Fließ benannt ist (deutsch Greifenhainer Fließ, bis 1937 Kzschischoka). Tritt man näher ans Fenster, von wo aus das Eis verkauft wird, erblickt man noch mehr Wendisches: Auf einem A4-Blatt erfährt man in wendischer und deutscher Sprache, dass Kinder ihr Eis umsonst bekommen, wenn sie es auf Wendisch bestellen. Hier zeigt sich, dass die Aussage auf der Internetseite der Betreiber „Wir pflegen die in unserer Region übliche Zweisprachigkeit Wendisch/Deutsch“ keine leeren Worte sind.

Das Eiscafé Kśišowka ist ein gutes Beispiel dafür, dass die wendische Sprache nicht nur auf offiziellen Beschilderungen im sorbischen/wendischen Siedlungsgebiet auftaucht, sondern auch von Privatleuten und Unternehmen verwendet wird. Für solche Aufschriften interessieren sich zwei Mitarbeiter des Sorbischen Instituts, Evan Bleakly und Simon Blum. Im Rahmen des weitaus umfassenderen Projektes Digitales Portal zu sorbischen und Lausitzer Sprach- und Kulturlandschaften dokumentieren sie sämtliche Formen der geschriebenen sorbischen/wendischen Sprache in der Niederlausitz, die in der Öffentlichkeit für jedermann sichtbar sind. Dafür sind sie derzeit in Dörfern und Städten des Siedlungsgebiets unterwegs.

Bei ihren Touren sind sie auf weitere „wendische“ Geschäfte gestoßen. Eines ist das bekannte Dissener Café Liska, eine Filiale der Bäckerei/Konditorei Fuchs aus Altdöbern. (Der Name Liska hat jedoch nichts mit dem wendischen Wort liška [Fuchs] zu tun, sondern geht auf die letzte Bewohnerin des Hauses zurück, Elisabeth Batram, die im Dorf Liska genannt wurde.) Das Café trägt die Bezeichnung wejsna loda [Dorfladen] und begrüßt seine Gäste von außen mit Witajśo k nam! [Willkommen]. Ob das Wendische hier wegen der im Ort verbreiteten Zweisprachigkeit verwendet wird oder aus anderen Motiven, können die Sprachforscher noch nicht sagen. Anscheinend jedoch können wendischsprachige Elemente auch dem Marketing dienen – zumindest in bestimmten Branchen. Vielleicht wollen manche Lausitzer Unternehmer auf diese Weise ihre Originalität und Heimatverbundenheit unterstreichen.

Das könnte etwa auf den Lübbenauer Kosmetiksalon Błota Spa zutreffen. Auf dessen Logo trägt der Buchstabe „S“ eine kleine Krone und erinnert somit an die wendische Sagenfigur des Schlangenkönigs. Hinter der grafischen Gestaltung steckt vielleicht auch eine beabsichtigte Doppeldeutigkeit, nämlich zwischen Spa (Wellnesseinrichtung, Heilbad) und dem wendischen Wort śpa [Stube]. Das dürfte allerdings nur wenigen Lesern auffallen. Bekannter ist da schon das Wort Błota [Spreewald], mit dem sich der Salon auf wohltuende Weise von zahlreichen Unternehmen mit dem Zusatz Spreewald im Namen abhebt. Nach Informationen des Nowy Casnik (Nr. 16 vom 20. April 2023) haben sich die beiden Inhaberinnen auch bei den Namen ihrer Produkte von wendischen Wörtern oder Flurnamen inspirieren lassen. So tragen beispielsweise die Massagen Bezeichnungen wie Quodda, Moorige Tschummi oder Uska Luke. Damit fügen sie sich gut in das Konzept des „Spreewaldstübchens“ ein, das auf seiner Internetseite zum Beispiel auch Fotos und kurze Videosequenzen der Spreewälder Natur zur Gestaltung nutzt.

Wie viele solcher Geschäfte gibt es in der Niederlausitz, die von außen mit wendischem/sorbischem Text werben? Und aus welchen Gründen tun sie das? Das wird im Sorbischen Institut noch genauer untersucht. Gegenwärtig geht es vorerst darum, geeignete Beispiele zu sammeln und zu dokumentieren. Wenn Ihnen ebenfalls private wendische/sorbische Aufschriften aller Art (Plakate, Schilder, Transparente, Graffiti, Aufkleber usw.) im öffentlichen Raum auffallen, können Sie diese gern dem Sorbischen Institut melden. Schreiben Sie in diesem Fall eine E-Mail an simon.blum@serbski-institut.de. Auch Hinweise auf offizielle zweisprachige Beschilderungen, die Rechtschreibfehler oder anderweitige Besonderheiten enthalten, sind willkommen.

Das übergeordnete Projekt Digitales Portal zu sorbischen und Lausitzer Sprach- und Kulturlandschaften gehört zu sechs sorbischen Projekten im Land Brandenburg, die vom Bundesförderprogramm „Die sorbische Sprache und Kultur im Prozess des Strukturwandels“ gefördert werden. Es ist das zweite Projekt am Institut aus diesem Fördertopf, neben dem Aufbau einer neuen Abteilung für Regionalentwicklung und Minderheitenschutz. Das Projekt soll bis 2031 mit jährlich 550.000 Euro gefördert werden.

Autor: Simon Blum