Bautzen/Budyšin - 19.09.2025

Sorbischer Rap im Fokus: Sammelband beleuchtet Rap und slawische Sprachen

Mit dem Sammelband „Rap und die slawischen Sprachen. Interdisziplinäre Zugänge und Erkenntnisse“ legen die Herausgeber:innen Dr. Aleksej Tikhonov und Dr. Cristiana Lucchetti (Universität Zürich) eine Publikation vor, die sich erstmals systematisch mit der Verbindung von Rapmusik und slawischen Sprachen auseinandersetzt. Der Band vereint Beiträge aus Linguistik, Kultur- und Sozialwissenschaften und bietet neue Perspektiven auf ein bislang wenig erforschtes Feld. Ein Beitrag rückt den sorbischen Rap in den Fokus.

Rap hat sich weltweit als bedeutendes Musikgenre etabliert und ist längst auch in slawischsprachigen Regionen präsent. Dennoch war eine umfassende wissenschaftliche Auseinandersetzung mit diesem Phänomen im deutschsprachigen Raum bislang nicht vorzufinden. Der im Frühjahr im transcript Verlag erschienene, interdisziplinär angelegte Band schließt nun diese Lücke, er enthält linguistische Beiträge ebenso wie kultur- und sozialwissenschaftliche. Einzelne Beiträge beschäftigen sich beispielsweise mit der Verwendung slawischer Sprachen im Rap oder seiner politischen Rolle, etwa im Zusammenhang mit dem Krieg in der Ukraine und Repressionen in Russland.

Besonderes Augenmerk gilt dem Beitrag von Jan Bogusz, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Sorbischen Institut, der sich mit der Entwicklung und den sprachlich-kulturellen Besonderheiten des sorbischen Rap beschäftigt. In seinem Beitrag analysiert Bogusz unter anderem das Lied „Nalěćo“ (Frühling) des Hip-Hop-Trios Nowa Doba, das 2023 das erste sorbische Rap-Album veröffentlichte.

Bogusz zeigt auf, wie sich sorbischer Rap seit den 1990er Jahren entwickelt hat – von den ersten Pionieren wie „Serbska GmbH“ bis hin zu einer neuen Generation von Künstler:innen, die seit 2020 mit Gruppen wie Nowa Doba, Kolektiw Klanki (2025 aufgelöst) oder Krazy Kocor für frischen Wind sorg(t)en. Inhaltlich bilden die Songtexte ein breites Spektrum ab – von Folklore und Traditionen, über gesellschaftliche Entwicklungen bis hin zu kritischen Reflexionen über das sorbische Leben heute.

Sprachlich zeichnet sich sorbischer Rap durch eine Mischung aus Standard-, Umgangs- und Jugendsprache aus. Besonders auffällig ist das so genannte Code-Switching (bewusster Wechsel zwischen zwei oder mehr Sprachen, Dialekten oder Sprachstilen), etwa durch die Integration englischer Ausdrücke, sowie der kreative Umgang mit lyrischen Stilmitteln wie Metaphern, Alliterationen und Diminutiven.

„Rap schafft neue Räume für die sorbische Sprache – er macht sie sichtbar, lebendig und attraktiv, gerade für junge Menschen“, so Bogusz im Interview. Die digitale Verbreitung über Streamingdienste und soziale Medien trage maßgeblich dazu bei, dass auch eine Minderheitensprache wie das Sorbische ihren Platz in der globalen Musikkultur findet. Das komplette Interview lesen Sie hier.

Hintergrund (Anekdote): der Herausgeber Tikhonov hat vergangenes Jahr (2024) unter anderem über den Kurznachrichtendienst Twitter nach Autoren gesucht und konkret das Sorbische Institut angeschrieben, ob sich nicht jemand bereit erklären würde, einen Beitrag über den sorbischen Rap zu schreiben.

Tikhonov, Aleksej/Lucchetti, Cristiana (Hrsg.): Rap und die slawischen Sprachen. Interdisziplinäre Zugänge und Erkenntnisse. Bielefeld: transcript, 2025. ISBN: 978-3-8376-7298-5. Buch beim Verlag: www.transcript-verlag.de/978-3-8376-7298-5/rap-und-die-slawischen-sprachen/

Der Band ist in der Sorbischen Zentralbibliothek verfügbar. Der Autor Jan Bogusz ist aktuell Doktorand am Sorbischen Institut und schreibt in der kulturwissenschaftlichen Abteilung über die Entwicklung der sorbischen Kinder- und Jugendliteratur. Daneben ist er Projektmitarbeiter im Projekt „Evaluation sorbischer Sprachkompetenzen“.

Inhaltsverzeichnis

Slawisch-deutscher Sprachkontakt

  • Die polnische Herkunftssprache im Deutschrap. Das Sprachenrepertoire und die multiethnische Identität als Ressource – Aldona Rzitki (Universität Bern), S. 13
  • BKMS-deutsche Mehrsprachigkeit, hybride Identitäten und toponymische Bezugspunkte in deutschen und schweizerdeutschen Rap-Texten – Aleksej Tikhonov (Universität Zürich) und Cristiana Lucchetti (Universität Zürich), S. 37

Westslawische Sprachen

  • Mehrsprachigkeit und Translanguaging im tschechischen Rap als Ausdruck heterogener gesellschaftlicher Perspektiven – Petr Frantik (Alumnus Universität zu Köln), S. 81
  • Thematische und linguistische Eigenheiten des sorbischen Raps – Jan Bogusz (Serbski institut Budyšin/Sorbisches Institut Bautzen), S. 111
  • Vulgarismen in polnischen Rapsongs am Beispiel des Lexems kurwa – Krystian Suchorab (Uniwersytet Wrocławski/Universität Wrocław), S. 135

Ostslawische Sprachen

  • Expressive Sprechakte im Kontext des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine am Beispiel von Lyrics des ukrainischen Rappers Skofka sowie aus den sozialen und Massenmedien – Oksana Havryliv (Universität Wien/Pädagogische Hochschule Niederösterreich), S. 165
  • Sprachdistribution in zeitgenössischer kasachischer Musik. Eine Liedtextanalyse im sozio- und sprachpolitischen Kontext Kasachstans – Lucie Jeanneret (Universität Zürich), S. 191
  • Das Asiatische im russophonen Rap Zentralasiens – Florian Coppenrath (Leibniz-Zentrum Moderner Orient Berlin), S. 211

Rap & die Opposition

    • Funktionen poetischer Texte im politischen Geschehen Russlands vor der Krym-Annexion – Angelina Kucherova (Paris Lodron Universität Salzburg), S. 237