Forschungsschwerpunkt „Institutionalisierung sorbischer Kultur in der Moderne“

Die neuzeitliche Geschichte der Sorben ist die Geschichte einer umfänglichen Institutionalisierung von kultureller Differenz. Namentlich im Verlauf des (kurzen) 20. Jahrhunderts, und somit – gerade oder paradoxerweise – in einer Zeit tiefgreifender politischer und gesellschaftlicher Verwerfungen, erreichte die institutionelle und organisatorische Einhegung und Durchdringung von sorbischer Existenz ihre Hochphase. Eng mit dieser Entwicklung verbunden war die funktionale Aus­differenzierung der sorbischen Gesellschaft in verschiedene soziale Felder mit eigenen institutionellen Strukturen – namentlich im Bereich der politischen Mit- und Selbstbestimmung, der Sprachpolitik und -pflege, der Wirtschaft, der Religion, der künstlerischen Artikulation, der massenmedialen Repräsentation sowie nicht zuletzt auch im Kontext von Erziehung und Wissenschaft. Damit einher ging schließlich eine zunehmende Professionalisierung sorbischer kultureller Praxen, die sich insbesondere in der Spezialisierung kultureller Kompetenzen, der Monetarisierung (Vergütung) kultureller Leistungen sowie ihrer Kommerzialisierung ausdrückte.

Im Zentrum des Forschungsschwerpunkts steht die Frage nach dem Verhältnis von Institutionalisierung und kulturellem wie sozialem Wandel in der neuzeitlichen Geschichte der Sorben. Institutionen werden dabei in normativer wie organisationaler Dimension als wesentliche Voraussetzung einer ambivalenten Versicherheitlichung von sorbischer Kultur in der Moderne verstanden. Gefragt wird daher einerseits, in welcher Form institutionelle Arrangements zur Stärkung von kultureller Souveränität und Resilienz bei den Sorben beigetragen haben. Andererseits wird untersucht, wo institutionelle Mechanismen (gezielt oder ungewollt) destabilisierend und delegitimierend auf das Sorbische eingewirkt und seine Vulnerabilität erhöht haben.

Sprecher: Dr. Friedrich Pollack